Auf dem Weg zu „strategischer Autonomie“: Die EU im sich wandelnden geopolitischen Umfeld

Studie 28-09-2020

Infolge der COVID-19-Pandemie ist die EU mit einer beispiellosen Krise konfrontiert. Dadurch wird die Einheit des Staatenbundes auf die Probe gestellt, doch es bietet sich auch die Möglichkeit, im Zuge der Umsetzung des Fahrplans für die Erholung die strategische Autonomie der EU schneller zu erreichen. Im Sinne der Wirksamkeit dieser strategischen Autonomie sind politischer Wille und Handlungsfähigkeit zentrale Voraussetzungen, wobei der politische Wille noch im Entstehen begriffen ist. In einer von Geopolitik beherrschten Welt läuft die EU zunehmend Gefahr, „Spielball“ der Weltmächte zu werden. Wird auf horizontaler, also bereichsübergreifender, Grundlage eine strategische Autonomie Europas entwickelt, könnten das multilaterale Handeln der EU gestärkt und die Abhängigkeit von externen Akteuren abgebaut werden, um die EU für externe Bedrohungen weniger anfällig zu machen. Gleichzeitig ließen sich dadurch gleiche Wettbewerbsbedingungen fördern, die allen zugutekommen. Auf diese Weise könnte die EU den Nutzen ihrer Integration voll ausschöpfen und größere wirtschaftliche Erträge erzielen. Um auf die strategische Autonomie Europas hinzuwirken, kann sich die EU dazu entschließen, das noch „wenig genutzte“ oder „nicht genutzte“ Potenzial des Vertrags von Lissabon zu erschließen. Dabei käme dem Europäischen Rat die zentrale Rolle zu, die Anwendung einiger Bestimmungen des Vertrags zu aktivieren, insbesondere auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik. Ebenso könnte die strategische Autonomie Europas aus einer Vertiefung des Integrationsprozesses der EU heraus entstehen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Mitgliedstaaten die Gelegenheit ergreifen möchten, die sich durch die Konferenz für die Zukunft Europas für die Stärkung des europäischen Projekts bietet.